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1933 - 1945

"Der Umbau im Schulwesen, der 1920 mit der Einführung der Selbstverwaltung begann, ist eigentlich erst mit der Schulreform von 1928 zum Abschluß gekommen. Diese Reform ist an der Oberrealschule vor dem Holstentor unter ihrem gewandten und rührigen Schulleiter Dr. Thedens durchgeführt worden, und sie hätte mit ihrem für alle vernünftigen Bestrebungen aufgeschlossenen Geist das schulische Leben zweifellos reich befruchtet, wäre nicht schon damals durch politisch radikale, schulfremde Kräfte eine ständig zunehmende Unruhe in die Schülerschaft und damit in die Schule getragen worden ... Die politische Neugestaltung hat das Kollegium veranlaßt, im Frühjahr 1933 noch einmal in dem inzwischen aussichtslos gewordenen Kampf um die Selbstverwaltung Stellung zu nehmen. 'Es bekennt sich', heißt es in einem Konferenzbeschluß vom 18.3.1933 ,'nach wie vor zu dem Grundsatz der Selbstverwaltung. Sollte die Selbstverwaltung aber fallen, so sollte seiner Meinung nach in die leitende Stellung berufen werden, nur wer das Vertrauen des Kollegiums genießt.' Nach einer unerquicklichen, aber notwendigen und klärenden Auseinandersetzung, bei der das Vertrauen in die bisherige Leitung ebenso zum Ausdruck kam wie der Wunsch nach Gleichschaltung mit der autoritären Schulverwaltung, entschloß sich das Kollegium zu einer Neuwahl. Die Wahl fiel auf Studienrat Kärner, der der nationalsozialistischen Partei angehörte.

An seine Stelle trat wenig später, durch die Landesunterrichtsbehörde berufen, Dr. Bruno Peyn. Damit wurde die als betont liberal bekannte Schule mit der neuen autoritären Schulverwaltung äußerlich gleichgeschaltet. Daß es auch innerlich geschehen müsse; darüber hat Dr. Peyn keinen Zweifel gelassen, als er erklärte, daß die Schule ein Organ des nationalsozialistischen Staates sei, der ihr nach seinen erzieherischen Bedürfnissen und staatspolitischen Zwecken Richtung, Ziel und Inhalt geben müsse, und hinzufügte, daß sie sich nun in ihrer stillen Arbeit als Bildungsmittel für den Intellekt, als Erziehungsmittel für den Willen, als Bindemittel für eine neue völkische Gemeinschaft bewähren müsse, in der jedem Glied die Pflicht zur selbstbeherrschten Einordnung unter die Zwecke der Gesamtheit auferlegt sei." (A. Winter)

Der o.a. Konferenzbeschluß kurz vor dem Ermächtigungsgesetz ist bemerkenswert. Eine Mehrheit bekundete damit ihr Vertrauen gegenüber der Weimarer Schulverfassung!

Die Zeit des 3. Reiches ist bisher wenig beachtet worden und bedürfte einer ausführlichen Darlegung. - Die kritische Lektüre der Holstentorwarte aber macht bereits deutlich, wie schnell die Gleichschaltung erfolgte. Welche Tiefenwirkung sie im Kollegium hatte, das durch gezielte Umsetzungen auf die neue Linie gebracht werden sollte, ist schwer auszumachen. Das erste Heil Hitler befindet sich in der Ausgabe zum 60-jährigen Jubiläum im Oktober 1933 - in einem beklemmenden Zusammenhang. Der Leitartikel des neuen Schulleiters endet: ... "Unseren Kindern wieder ein Vaterland zu geben, war das redliche Bemühen der Besten unseres Volkes; diesem Vaterlande hinfort unbeirrbare Träger des neuen großen Gedankenguts nationalsozialistischer Weltanschauung zu geben, muß das Ziel unserer Schulmannsarbeit sein. Die Thaer-Oberrealschule vor dem Holstentore wird mithelfen und damit weiterwirken im Geiste eines Albrecht-Thaer! Heil Hitler! Dr. Bruno Peyn als Schulleiter."

An anderer Stelle wird der gerade verstorbene Linksliberale Gustav Wendt zitiert: "Wir haben von vornherein die Erziehung zu praktischer Tüchtigkeit mit der Erziehung zu wissenschaftlichem Denken verbunden, ... und der weitherzige Thaer hat diesen Geist immer begünstigt. ... Ja, der Genius Loci ist nicht totzukriegen. Wir haben mehr darauf gesehen, daß Lehrer und Schüler ihre Pflicht taten, als daß die Bande der äußeren Ordnung besonders straff gezogen schienen." Der den Toten ehrende Kollege schließt: "Ich möchte nur wünschen, der Genius Loci möge sich mit dem neuen Geist, der "betonten" Erziehung zum deutschen Menschen und zur deutschen Gemeinschaft so vermählen, daß der alte Recke (gemeint ist Wendt) von seiner neuen Heimat aus mit zufriedener Teilnahme auf die Stätte seines erfolgreichen Schaffens blicken kann."

Es schaudert den Leser, wie bedenkenlos die bedeutendsten liberalen Pioniere des ATh für die "Neue Zeit" vereinnahmt wurden! Auch die Durchsicht der Aufsatzthemen läßt erkennen, wie von heute auf morgen die Anpassung erfolgte.

Die Kriegsjahre haben schwere Verluste und Einbußen wie anderenorts auch gebracht. Darauf soll hier im einzelnen nicht eingegangen werden, so einschneidend diese Jahre auch gewesen sind; z.B. im Hinblick auf die Zusammensetzung des Kollegiums. Die Holstentorwarte berichtet immer wieder von der Kinderlandverschickung, vom Einsatz der Luftwaffenhelfer bei den Turmbatterien auf dem Heiligengeistfeld; es finden sich natürlich die Gefallenenmeldungen in hoher Zahl, Briefe aus dem Felde. Etliche von ihnen spiegeln in bestürzender Weise die Auswirkung einer rassistischen Propaganda und Erziehung wider.